Inschriften

Schrift beginnt sicher für jeden Einzelnen mit der Auseinandersetzung des Schreibenlernens, spätestens mit der Einschulung im fünften oder sechsten Lebensjahr. Dann bemüht sich der Lernende, zunächst mühlevoll, einzelne Buchstaben zu Wörter aneinander zu reihen. Zunächst das Nachschreiben der einzelnen Buchstaben des Alphabetes, danach das Aneinanderreihen zu Wörter und Sätzen. Erst viel später wird das Erlernte Ausdrucksmittel der Persönlichkeit und die Fähigkeit, sich seinen Mitmenschen auf diese Weise mitzuteilen, Botschaften zu überbringen, Wünsche zu artikulieren, Geschehenes festzuhalten. So auch in Glockeninschriften, mindestens seit dem frühen 12. – 13. Jahrhundert.

Zu Beginn meiner Ausbildung zum Bauzeichner wurde ich gleich mit der Vielfalt von Schriftarten konfrontiert und diese in unterschiedlichen Formen mit Akribie zu erlernen.Breitschrift, Stelzschrift, Schrägschrift, Normschrift bis hin zur Architektenschrift. Diese handschriftlichen Übungen wurden selbst noch im Grundstudium der Architektur verlangt und bewertet.

Wie kam ich zu den Glockeninschriften?
Im Jahre 1981 habe ich im Rahmen meines Studiums eine verformungsgerechte Bestandsaufnahme der evangelischen Kirche in Hottenbach, Kreis Birkenfeld, angefertigt. Dabei entstand der erste Kontakt zu den Glocken und deren Inschriften. Voller Faszination von den Inschriften und Zierbändern an der Glockenschulter fertigte ich Zeichnungen im Maßstab 1:1 an. Auf der Suche nach weiteren historischen Glocken im Kreis Birkenfeld war mir der damalige Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege Mainz, Herr Dr. Hans Caspary, sehr hilfreich. Ihm verdanke ich den Kontakt zu der ersten Glockentagung im Jahre 1982 im Karmeliterstift in Frankfurt. Für die evangelische Stiftskirche der Stadt St. Goar und der kath. Kirche der Stadt Boppard fertigte ich die zeichnerischen Darstellungen der historischen Glocken mit Inschriften beider Kirchen an. Weitere historisch interessante Inschriften folgten. Leider lässt es meine Zeit nicht zu, diese Arbeit systematisch für eine zusammenhängende Region zu bearbeiten.

Hin und wieder bringt mich aber meine berufliche Tätigkeit mit Glocken und Glockeninschriften in Verbindung. Bei der Instandsetzung oder Erneuerung von Glockenstühlen, bei denen manchmal historische Glocken an neue Holzjoche montiert werden oder auch nur bei der Erneuerung von Schallläden an den Öffnungen der Glockenstube.

Eine wichtige Aufgabe zur Erhaltung der Glocken- und Läuteanlagen sehe ich in dem gefahrlosen Zugang zu den Glockenstuben. Regelmäßige Wartung und Kontrollgänge sind nur möglich, wenn die Zugänge zu den Glocken gefahrlos sind, d.h. nicht über senkrechte Leiteraufgänge ohne Zwischenböden in schwindelerregende Höhen, sondern über Treppenaufgänge aus Holz mit eingebauten Zwischenpodesten. Erst dann ist es möglich, Glocken und deren Anlagen zu pflegen und zu warten und ggf. einer breiten Schicht von Kunstinteressierten zuzuführen. Dann findet auch der Kunsthistoriker beim Erfassen der Inventare den Zugang zu den Glocken, wie ich meine, einem wesentlichen Teil der Kircheneinrichtung.

Die Glocke ist nicht nur Musikinstrument und Klangträger, sie ist auch Trägerin wichtiger Botschaften.

Die Glockenzier besteht in der Regel aus drei Elementen, der Schrift, der Figur und dem Ornament; sie spiegeln nicht nur den jeweiligen Zeitgeschmack wider, sondern auch die Fähigkeit und die Kunstfertigkeit des jeweiligen Gießermeisters. In der heutigen Zeit mehr und mehr auch die Wünsche und die finanziellen Möglichkeiten des Auftraggebers.

Glockenzier und Inschrift des 12. und 13. Jahrhunderts war geprägt durch einfache, kurze Inschriften, oft ohne Angabe zum Jahr oder Name des Gießers. Sogenannte Wachsfadeninschriften, ein in der Hand gerollter Wachsfaden zu einem Buchstaben geformt und auf die Glocke aufgelegt, in aller Regel zwischen zwei Stegen als Inschriftband an der Schulter, gelegentlich auch auf dem Mantel der Glocke oder am unteren Wolm. Erst mit der Veränderung der Glockenform und der Glockenrippe in der Mitte des 13. Jahrhunderts, der gotischen Rippenform, wurde auch die Zier und Inschrift reichhaltiger. Stege und Ornamenten rahmten die Inschrift an der Schulter, Holzmodel dienten zur Herstellung der einzelnen Buchstaben, die dann aus der Model heraus auf die Glocke aufgelegt wurden, ebenso säumten die kunstvollen Figuren und Medaillons den Glockenmantel. Mit Aufkommen der großen Wallfahrten im 14. und 15. Jahrhundert und dem damit verbundenen finanziellen Wohlstand wurden die Inschriften und Verzierungen reichhaltiger.
Glocken erhielten Eigennamen (Maria heisen ich), Inschriften mit eindeutigen Botschaften (all bois weder verdrieben ich), Gießername und Jahreszahl, Verzierungen mit heilsbringender Wirkung (aufgelegte Salbeiblätter), eine apotropäische Symbolik.
Hier seien nur einige Aufgaben der Glocke erwähnt:
Taufglocke , Hochzeitsglocke, Sterbeglocke, Sturmglocke, Brandglocke, Betglocke, Angelusglocke, Vaterunserglocke, Sonntagsglocke, Uhrglocke, Friedensglocke, u.s.w.

Bis ins 14. Jahrhundert war die Inschrift oft mit der gotischen Unzialen (Großbuchstaben), der Majuskel, versehen, bereits seit Ende des 13. Jahrhunderts auch schon die gotische Minuskel (Kleinbuchstaben), die sich wesentlich schwerer entziffern lässt. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Minuskel ersetzt durch die Kapitalis.
In der Barockzeit des 17. und 18. Jahrhunderts waren die Glocken über den gesamten Glockenmantel reich verziert, ja sogar teilweise überladen.

Das 20. Jahrhundert ist eher zurückhaltend in Schrift und Zier auf den Glocken. Die Glocken der Nachkriegszeit wurden überwiegend aus Stahl gegossen. Die beiden Weltkriege hatten in den alten Bestand der historischen Glocken eine große Lücke gerissen. Um ein erneutes Einschmelzen der Bronzeglocken im Kriegsfall zu vermeiden, entschlossen sich viele Kirchengemeinden, ein neues Geläute aus Stahl anzufertigen. Erst später besann man sich wieder auf die Qualität der Bronzeglocken. Heute werden nur noch Glocken in Bronze gegossen, zunehmend mit Inschrift und Zier. Ritztechnik in Schrift und Bild ist ein modernes Ausdrucksmittel. Auch von Künstlern gestaltete Glockeninschriften und Glockenzier werden immer häufiger in Auftrag gegeben. Sie sind jeweils Zeitzeugnis mit ihrer Inschrift und Glockenzier.

Das ganze Gebiet der Glockenkunde ist so komplex, dass ich hier nicht darauf eingehen kann. Dies würde auch bei weitem mein Wissen übersteigen. Die Glocke ist in erster Linie noch immer ein Klanginstrument, das im Zusammenspiel von mehreren Glocken bis hin zu Glockenspielen (Carillons) eindrucksvoll zu hören ist.
Eine genaue Bestimmung der Glockentöne ist mir nicht möglich. Dies ist vorwiegend Aufgabe der Glockensachverständigen der einzelnen Bistümer und Landeskirchen. Meine Aufgabe sehe ich vornehmlich in der Tätigkeit des Aufzeichnens von mittelalterlichen Glocken in der nachfolgend dargestellten Art und Weise sowie dem Entschlüsseln und Datieren historischer Inschriften. Ebenso in der Sanierung von Holzglockenstühlen, Holzglockenjochen und Schällläden. Die Weiterbildung auf dem jährlichen Kolloquium der Glockenfreunde verschiedener Nationen auf Burg Greifenstein in Hessen gehört zum festen Bestandteil meiner Arbeit. Dieses Kolloquium, 2005 erstmals in den Niederlanden, ist mittlerweile neben den freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Kampanalogen und einem regen Gedankenaustausch eine Bereicherung meiner Kenntnisse in der Glockenkunde.


Weitere Informationen für Glockenfreunde:

DEUTSCHES GLOCKENMUSEUM AUF BURG GREIFENSTEIN E.V.
Talstraße 19, 35753 Greifenstein/Hessen
e-mail: dgm.greifenstein@t-online.de

Die vom DEUTSCHEN GLOCKENMUSEUM veranstalteten jährlichen KOLLOQUIEN ZUR GLOCKENKUNDE richten sich an Interessenten, die sich mit allen unterschiedlichen Themenbereichen der Glockenkunde befassen, darin bereits forschen oder dies beabsichtigen.

Wenn Sie Interesse daran haben, wenden Sie sich bitte an
Frau Ursula Klute an o.g. Adresse.

Im Auftrag des DEUTSCHEN GLOCKENMUSEUMS AUF BURG GREIFENSTEIN E.V.
gibt Dr. Konrad Bund und Jörg Poettgen ein Jahrbuch heraus mit
Wissenschaftlichen Abhandlungen und Beiträgen von Glocken.




Schrift,
ein wesentlicher Teil unserer Kultur, ein System von Zeichen, in denen Bilder und Sprache festgehalten und zur Kommunikation von Menschen eingesetzt werden. Schriften, seit Jahrtausenden sind sie das Abbild und Symbol des Gedachten und Gemeinten.
Die Geschichte der Schriften spiegelt gleichermaßen die Entwicklung unseres Bewusstseins wieder: von Bildschriften, wie Hieroglyphen, über die Keilschrift hin zu reinen Buchstabenschriften mit denen wir imstande sind, uns differenziert auszudrücken. Jahrtausende alte Inschriften üben auf uns eine Faszination aus, muss es sich doch bei den Texten um etwas Erinnernswertes handeln. Es reizt uns stets, den Inhalt des Geschriebenen zu ergründen.

Auch Glockeninschriften sind, wie Grabmale ein Denkmal vergangener Zeit, eine Stätte der Erinnerung, ein Ort, an dem Inschriften einen wichtigen Teil der Botschaft an die Nachwelt bilden.

Schrift überwindet Zeit. Schrift ist die Botschafterein von Gedanken.

Text von einer Infotafel der
Firma Strassacker, Kunstgiesserei, bei der "Stone-tec", Nürnberg 2005



Glockengießerei Mabilon